Rezepte gegen die Angst – Lebensstil- und Ernährungstherapie bei Depression und Angsstörungen

Ein Buchbesprechungsessay

Wir leben in interessanten Zeiten: Mythen bröckeln wie die Sandburgen am Strand in der Flut. Eine dieser Mythen ist das Bild der biologischen Psychiatrie, dass psychische Störungen reine Gehirnkrankheiten sind. Transmitterstörungen, die man mit der entsprechenden Kombination von Psychopharmaka wieder ausbessern kann, so wie man in ein Auto Öl nachfüllt oder Bremsflüssigkeit.
Und schon ist die Angst weg, die Depression verschwunden.

Brogan, Kelly (with Kristin Loberg) (2016): A Mind of Your Own – The Truth About Depression and How Women Can Heal Their Bodies to Reclaim Their Lives. New York: Harper Collins. ISBN 978-0-06-240557-9. USD 26.99 (Hardcover), 337 Seiten.

Bolland, Axel (2016): Pro Gesundheit – Contra Gluten: Die Bedeutung der Gluten- und Vollkornintoleranz in der integralen Medizin. Kulmbach: ML Verlag. ISBN 978-3-944002-08-8; 29,95 € (Hardcover), 272 Seiten.

Happy-Pills gehören neben den Neuroleptika zu den in Amerika meistverschriebenen Arzneimitteln [1, 2]. Dass man versucht, psychologische und psychiatrische Störungen als Neurotransmitterstörungen zu verstehen und pharmakologisch zu behandeln ist eine relativ neue Entwicklung. Das war nicht immer so, und wenn man den Autoren der Bücher glauben will, die ich hier bespreche, wird es auch bald damit zu Ende sein.

Bevor wir auf die Argumente in den Büchern eingehen ist es vielleicht nützlich zu überlegen, wie es überhaupt zum modernen Mythos von der Gehirnerkrankung kam. Früher, so vor ca. 80 Jahren, wurden psychische Störungen und psychiatrische Erkrankungen entweder im Rahmen des von Breuer und anderen favorisierten Konstitutionsmodells verstanden und konservativ behandelt – Zusprache, Kontakt, Beschäftigungstherapie – oder psychoanalytisch als Folge von traumatischen Belastungen oder Entwicklungskrisen.

Weiterlesen

Tödliche Medikamente: Die Pharmaindustrie als organisiertes Verbrechen

Eine Besprechung von Peter C. Gøtzsche „Deadly Medicines and Organised Crime: How Big Pharma Has Corrupted Healthcare“ (London: Radcliffe, 2013)

Ich kenne wenige Bücher, die noch deprimierender sind, als dieses, und die man trotzdem von vorne bis hinten lesen sollte [1]. Das Buch zieht einen in hypnotischen Bann, denn man will es kaum glauben, was man hier liest, selbst wenn man, wie ich, bereits apriori mit einer gehörigen Portion Skepsis an Themen herangeht, die moderne Arzneimittel und Pharmahersteller betreffen. Aber was Gøtzsche bietet – engmaschig belegt in 1134 Anmerkungen und auf 300 Seiten – übertrifft die wüstesten Phantasien. Man kann es für den ganz eiligen Leser kurz machen und auf einen Punkt bringen:

Die Pharmaindustrie ist schlimmer als die Mafia. Denn sie ist wie die Mafia und ähnlich organisierte Verbrechersyndikate darauf aus, mit illegalen Methoden und wiederholt möglichst viel Geld aus dem öffentlichen System zu holen. Anders als die Mafia bringt sie dabei mehr Menschen um als die Verbrechersyndikate bzw. nimmt deren Tod in Kauf.

Das wird im Cartoon auf der letzten Buch-Seite deutlich gemacht, den ich mit freundlicher Genehmigung des Verlages hier einfüge:
mob
(Sinngemäß: „Gøtzsche schreibt, dass die Pharmaindustrie so was wie ein Verbrechersyndikat ist. Find ich voll daneben.“ „Warum?“ „Die sind viel schlimmer, die killen viel mehr Leute als wir.“)

Weiterlesen