Der Signifikanz-Mythos bröckelt…

Vor Jahren traf ich mal den Altmeister der psychologischen Methodologie, den Harvard Psychologen Robert Rosenthal auf einem kleinen Symposion. Er pflegte zu sagen „Surely, God loves p = .06 as he loves p = .05.” Er wies damit auf die willkürliche, ja fast unsinnige Fixierung fast aller Wissenschaftstätigkeiten der quantitativen Wissenschaften, vor allem der Verhaltenswissenschaften und der Bio-Wissenschaften, auf ein konventionell festgelegtes Signifikanz-Niveau hin und predigte schon seit langer Zeit in seinen Beiträgen, dass sich die Wissenschaft viel stärker an anderen Kenngrößen, wie etwa Effektstärken, Konvergenz von Befunden und methodischer Güte von Studien orientieren sollte als an statistischen Signifikanz-Werten [1].


„Surely, God loves p = .06 as he loves p = .05.”


Robert Rosenthal

Dass nun aber das Flaggschiff-Journal der Naturwissenschaften einen Aufruf bringt, die Signifikanz-Testerei zum alten Eisen zu legen, das kommt einer kleinen Revolution gleich [2]. Denn hier sprechen nicht die ohnedies oft nicht für ganz voll genommenen Verhaltens- oder Sozialwissenschaftler, sondern die Naturwissenschaftler aus dem Kern des Geschäftes: Valentin Amrhein ist Zoologe an der Uni Basel, die anderen beiden Autoren sind Statistiker. Als sie ihre Gedanken formuliert hatten, hatten sich innerhalb einer Woche 800 Wissenschaftler als Unterstützer des Aufrufs gefunden und kein geringeres Organ als Nature publizierte ihn.

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Hochdruck-Medikamente schaden bei Bluthochdruck im Grenzwertbereich

Eine These, die ich einmal entwickelt habe, als ich mir vor Jahren die Berichterstattung über die konventionelle und die komplementäre Medizin in den Printmedien in England angesehen habe, lautet: Etwa 10-14 Tage, nachdem eine Hiobsbotschaft über die konventionelle Medizin, vor allem die Pharmakologie, hereingebrochen ist, geht das CAM-Bashing wieder los. Vor allem Print-Medien, aber auch … Weiterlesen

Bröckelnde Mythen: Bildschirm, Handy und digitale Medien machen dumm

Zu viel Zeit am Computer, Mobiltelefon und mit Social Media schaden Kindern und Jugendlichen (und vermutlich auch allen anderen)

Die Digitale Revolution hat uns alle erreicht und gestaltet unsere Wirtschaft, unser Leben und unsere Beziehungen um, und wo sie das nicht schon getan hat, wird es bald so kommen. Daher ist es gut, wenn wir unsere Kinder möglichst bald damit vertraut machen. Also sollte die Digitalisierung in die Kinderzimmer, Kitas und spätestens in die Schulen einziehen.“ So etwa kann man es fast überall hören. Das ist, was die Bundesregierung umsetzen will, was die Wirtschaft fordert und was so selbstverständlich klingt, dass Nachdenken darüber – wieder mal – wie Zeitverschwendung klingt. Ein neuer moderner Mythos also.

Auch er bröckelt: Gerade erschien eine aufrüttelnde Studie in „Lancet Child & Adolescent Mental Health“ [1], die aus meiner Sicht einen deutlich wahrnehmbaren Bruch in diesem Fortschrittsmythos signalisiert. Sie wurde von einer kanadischen Arbeitsgruppe publiziert, die herausfinden wollte, wie sich die kanadischen Gesundheitsempfehlungen für Kinder und Jugendliche auf die Kognition auswirken. Diese Empfehlungen lauten: Kinder zwischen 5 und 13 Jahren sollten mindestens eine Stunde pro Tag körperlich stark aktiv sein, 9-13 Stunden schlafen und maximal 2 Stunden vor dem Bildschirm verbringen.

Die Autoren nahmen die neue ABCD-Kohorte – Adolescent Brain Cognition Development -, die in den USA an 21 Standorten über die nächsten 10 Jahre die kognitive Entwicklung von Kindern und Jugendlichen dokumentieren wird. Die Ausgangsdaten der ersten 4524 Kinder und Jugendlichen, die eingeschlossen wurden, waren die Basis für diesen Artikel; ein Querschnittsdatensatz also, dessen Reichweite zwar begrenzt ist, der aber trotzdem aufhorchen lässt. Für sehr eilige Leser:

Nur 5% all dieser Kinder, die im Durchschnitt 10 Jahre alt waren, hielten diese Empfehlungen ein (nicht mehr als 2 Stunden Bildschirm, 1 Stunde Bewegung am Tag und mindestens 9 Stunden Schlaf). Wer all diese drei Empfehlungen einhielt, war deutlich schlauer, und am deutlichsten fällt die Zeit am Bildschirm ins Gewicht: wer mehr als 2 Stunden hinter einem Bildschirm verbringt ist deutlich weniger intelligent: nämlich um 4.2 Intelligenzpunkte weniger als die, die weniger als 2 Stunden hinter dem Bildschirm verbringen. Und wer dabei noch weniger als 9 Stunden schläft büßt 5.15 Intelligenzpunkte ein. Wenn man überlegt, dass eine Intelligenzskala auf eine Standardabweichung von 15 Punkten genormt ist, ist das ein Drittel einer Standardabweichung, und zwar im Querschnitt. Womöglich kumuliert sich der Effekt über die Jahre. Aber das wissen wir derzeit noch nicht.

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Wieviel Alkohol schadet? Nicht zu viel, oder lieber gar nicht? – Ein paar Gedanken zur neuen Studie von Wood und Kollegen in Lancet (2018)

Ich bekenne es freimütig: Ich mag Wein und trink‘ ihn gern (Bier manchmal, Schnaps selten). Da zu einer guten Einschätzung wissenschaftlicher Aktivität auch die Offenlegung von Interessenskonflikten gehört, auch intellektueller, tue ich das hiermit. Es wäre mir ehrlich gesagt nicht recht (und würde mich auch sehr wundern), wenn aufgrund wissenschaftlicher Daten der Puritanismus Einzug halten würde. Ich halte vom Puritanismus aus verschiedenen theologisch-weltanschaulichen Gründen nicht viel und bin, auch das wahrscheinlich ein Interessenskonflikt, zu sehr dem süddeutsch-bayrischen katholischen Raum verpflichtet, als dass ich mich zum Puritaner eignen würde. Auf diesem Hintergrund also meine Gedanken zu einer neuen Studie, die derzeit von allen Journalen kolportiert wird, die etwas auf sich halten und von allen Zeitschriften, die der orientierungslosen Lebensstilkämpferin um das rechte Maß bei ihrem Orientierungslauf helfen wollen.

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„Forbidden Histories“ – Youtube-Kanal von Andreas Sommer

Ich weise gerne auf einen neuen Video-Kanal https://www.youtube.com/forbiddenhistories mit entsprechender Webseite hin. Der Kanal wird von Dr. Andreas Sommer betrieben, der sich in Cambridge, am Institut für Wissenschaftsgeschichte intensiv mit der Geschichte der Parapsychologie auseinandergesetzt hat. Er wird in einer Serie von englischsprachigen Videos in die Geschichte der Erforschung okkulter und paranormaler Phänomene einführen. Man … Weiterlesen