Abstand – zur Panik. Fakten, Reflexionen, Gedanken zur Covid-19 Pandemie

Ich habe mich in den letzten Tagen an eine Episode aus meiner Studentenzeit erinnert gefühlt. Ich war damals ein Jahr in London zum Studium und spielte im Orchester der Universität Oboe. Wir probten eine ziemlich heikle Symphonie von Schostakowitsch. Die erste Seite der Partie war schon komplex. Ich blätterte um und fiel fast vom Stuhl: zwei Seiten nichts als Sechzehntelnoten in relativ raschem Allegro-Tempo, alles schwarz, sozusagen. Es war eigentlich chancenlos das gut zu spielen, selbst wenn man es geübt hatte, und vom Blatt war es praktisch unmöglich. Schon nach den ersten Takten war ich verzweifelt. Da fiel mein Blick auf eine fette Bleistiftnotiz, die irgendein Vorgänger oben auf die Noten geschrieben hatte:

„DON’T PANIC!“

stand da: „Nur keine Panik!“. Ich erinnere mich noch gut, wie mich allein dieser Spruch beruhigte. Zwar machte ich immer noch Fehler, aber ich war nun in der Lage, mich fürs Erste durch diese schwere Passage zu schummeln, ohne den Anschluss zu verlieren.

Das scheint mir im Moment das Wichtigste zu sein: nur keine Panik. Diese Realisierung hat mich damals gerettet. Sie hat die Noten nicht leichter gemacht, das Tempo nicht langsamer, die Technikanforderungen nicht anders. Aber sie hat durch die Beruhigung dazu beigetragen, dass alles nicht mehr ganz so dramatisch war.

Das Wichtigste, was wir jetzt brauchen ist: raus aus dem Panikmodus. Das Nächste ist, sich die Fakten aus einer gewissen Distanz und mit etwas Nüchternheit anzusehen. Was macht diese Corona-Virus Pandemie? Wie gefährlich, wie tödlich ist sie? Für wen? Wie lange?

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Der Signifikanz-Mythos bröckelt…

Vor Jahren traf ich mal den Altmeister der psychologischen Methodologie, den Harvard Psychologen Robert Rosenthal auf einem kleinen Symposion. Er pflegte zu sagen „Surely, God loves p = .06 as he loves p = .05.” Er wies damit auf die willkürliche, ja fast unsinnige Fixierung fast aller Wissenschaftstätigkeiten der quantitativen Wissenschaften, vor allem der Verhaltenswissenschaften und der Bio-Wissenschaften, auf ein konventionell festgelegtes Signifikanz-Niveau hin und predigte schon seit langer Zeit in seinen Beiträgen, dass sich die Wissenschaft viel stärker an anderen Kenngrößen, wie etwa Effektstärken, Konvergenz von Befunden und methodischer Güte von Studien orientieren sollte als an statistischen Signifikanz-Werten [1].


„Surely, God loves p = .06 as he loves p = .05.”


Robert Rosenthal

Dass nun aber das Flaggschiff-Journal der Naturwissenschaften einen Aufruf bringt, die Signifikanz-Testerei zum alten Eisen zu legen, das kommt einer kleinen Revolution gleich [2]. Denn hier sprechen nicht die ohnedies oft nicht für ganz voll genommenen Verhaltens- oder Sozialwissenschaftler, sondern die Naturwissenschaftler aus dem Kern des Geschäftes: Valentin Amrhein ist Zoologe an der Uni Basel, die anderen beiden Autoren sind Statistiker. Als sie ihre Gedanken formuliert hatten, hatten sich innerhalb einer Woche 800 Wissenschaftler als Unterstützer des Aufrufs gefunden und kein geringeres Organ als Nature publizierte ihn.

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