Auf dem Weg zu einem totalitären Elitestaat?

Ein paar Gedanken zu einem neuen Aufsatz

Ich bin schon lange der Meinung, dass wir in Zeiten des Umbruchs leben, die eigentlich nur mit den großen Pestepidemien des 14. Jahrhunderts, etwa von 1345 bis 1349, vergleichbar sind. Damals ist die geordnete Welt des Hochmittelalters zusammengebrochen. William von Ockham (Abbildung: Portraitskizze von William Ockham, vermutlich eines der ersten Portraits eines Philosophen, aus einem Oxforder Manuskript [1]) zerlegte mit seiner Kritik das Gebäude der Hochscholastik, wie es Albertus Magnus, Thomas von Aquin oder Bonaventura und andere aufgebaut hatten (ich habe das etwas ausführlicher in meinem kleinen Einführungslehrbuch dargestellt [2]).

In aller Kürze: Vor allem Thomas von Aquin hatte ein sehr rationales Weltbild entwickelt, das sich an Aristoteles anlehnte und in das die christliche Theologie gut eingebettet war. Es hatte aus Ockhams Sicht – der Franziskaner war und die franziskanische Frömmigkeit befördern wollte – einen entscheidenden Nachteil: Es entfernte die Seele von einem unmittelbaren Kontakt mit Gott. Denn in der thomasisch-aristotelischen Sicht gab es keine direkte Erkenntnis Gottes, nur eine indirekte, und alles, was man über die Welt erfahren konnte, war vermittelt durch Abstraktionen. Der Preis des mittelalterlichen Kosmos und seiner Geborgenheit war also ein Einfügen des Einzelnen in ein System von Hierarchien und Abhängigkeiten, politisch genauso wie philosophisch und theologisch. Dagegen revoltierten vor allem franziskanische Gelehrte und unter diesen war Ockham der Profilierteste, Sprachgewandteste und Einflussreichste (eine gute ausführliche Darlegung all dieser Themen bei [3]). Denn sie wollten vor allem eines: einen unmittelbaren Zugang der Seele zu Gott sichern, konzeptionell-theologisch und praktisch.

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