Praktische Verschwörung(stheorie)

Verschwörungstheorien in der Corona-Krise

Theorien

Es gibt nichts Praktischeres als eine Theorie“, soll Einstein gesagt haben. Egal ob echt oder gut erfunden, dieser Spruch ist gut. Ich will daher in diesem Blog einmal die Funktion von Theorien beleuchten, in der normalen Wissenschaft, aber auch in der Corona-Krise, wo ja – Teufel bleib mir vom Leib – vor allem „Verschwörungstheorie!“ gerufen wird und dann das Denken abgleitet.

Was also ist das „Praktische“ an einer Theorie? Theorien im weitesten Sinne leiten unsere Wahrnehmung. Sie drücken aus, was wir aufgrund unseres Vorwissens erwarten. Die Alltagstheorie, dass die Sonne im Osten aufgeht und im Westen untergeht, ist so eine gebündelte Erfahrung. Das Bündeln früherer Erfahrungen in eine Erwartung, nach der wir handeln, ist nützlich, oder, um mit Einstein zu reden, praktisch. Denn es erspart uns, alles wieder von vorne zu entwickeln. Wahrnehmung ohne Theorie geht kaum, oder jedenfalls nur in speziell gereinigten Bewusstseinszuständen. Husserl, der Begründer der Phänomenologie, sprach davon, dass wir unsere ganzen Vormeinungen (also „Theorien“) weglassen müssen, wenn wir die Wirklichkeit so wahrnehmen wollen, wie sie ist [1]. Das ist ein hehrer Aufruf, der auch von den spirituellen Meditationstraditionen immer wieder gemacht wird: mentale Konditionierungen loslassen, um ganz im Moment wahrzunehmen, was ist. Wer viel meditiert, schafft das auch hin und wieder. Aber dauernd wäre das wohl zu anstrengend. Wir sind eben auch historische Wesen und bündeln unsere Erfahrung – individuell und kulturell – in innere Modelle der Welt. In der Wissenschaft heißen solche Modelle „Theorien“.

Weiterlesen

Offenkundige und tiefe Fakten

Warum der Begriff „Verschwörungstheorie“ in der Corona-Krise Konjunktur hat und doch nur zur Vernebelung beiträgt, sowie einige neue Entdeckungen

Ich will anhand eines Beispiels einen wichtigen Unterschied deutlich machen, und dieses dann auf den Diskurs in der Corona-Krise übertragen. Nebenbei will ich noch ein paar neue Entdeckungen kundtun.

Offenkundige und tiefe Fakten

Der Unterschied, den ich klären will, ist der zwischen „offenkundigen“ und „tiefen“ Fakten. Um diesen Unterschied zu verdeutlichen, verwende ich ein Beispiel, das hoffentlich für alle einigermaßen nachvollziehbar ist (und ich entschuldige mich dafür, dass es etwas plakativ ist). Familie Meier ist eine ganz normale deutsche Familie. Was man offenkundig von ihr weiß und was Nachbarn von ihr erzählen ist Folgendes: Die Mutter widmet sich hingebungsvoll ihren Kindern. Denn eines von den beiden hat ziemliche Probleme in der Schule, das andere ist relativ schwer an Asthma erkrankt und benötigt ständig umsichtige Hilfe. Denn es ist noch zu klein, um die Erkrankung und die nötigen Medikationen selbst zu organisieren. Der Vater ist sehr viel unterwegs, weil er im mittleren Management einer Firma arbeitet. Doch obwohl er viel auf Reisen ist, ist er für die Familie da. Am Wochenende sieht man sie oft alle gemeinsam mit dem Auto ins Grüne fahren. Die Mutter fährt mit den Kindern zu irgendwelchen Terminen, zur Nachhilfe für den Großen, zu Arztterminen für die Kleine, manchmal zum Eislaufen im Winter oder ins Schwimmbad im Sommer.

Soweit die offenkundigen Fakten. Das was alle sehen, das was alle wissen und die Theorien oder Zusammenhänge, die sie daraus ableiten.

Weiterlesen