Projektleiter: Harald Walach, Solveig Herrnleben-Kurz (Dipl. Psych), Charlotte Zenner (Dipl. Psych) & Dr. Gisela Full (Dipl. Päd.).
Momentan arbeiten wir an der Entwicklung eines Portfolios achtsamkeitsbasierter Interventionen für den Bildungsbereich. Dabei wollen wir Lehrer_innen konkrete Vorschläge und Inspiration an die Hand geben, mit welchen sie Achtsamkeitsübungen einfach in ihren Unterricht integrieren können.
Außerdem führen wir wissenschaftliche Untersuchungen durch, um die Wirkung von Achtsamkeitstrainings im Schulalltag zu überprüfen. Dabei richten wir unser Hauptaugenmerk auf Selbstregulation, Lebensqualität und Wohlbefinden, Aufmerksamkeit, Konzentration und Kreativität, Empathie und Sozialverhalten.
Was verstehen wir unter Achtsamkeit?
In unserem Kulturkreis wird unter dem Begriff am ehesten eine Form von erhöhter Aufmerksamkeit verstanden, welche mit einer freundlichen Haltung daherkommt. Dies wird in der verneinenden Form deutlich durch den Ausdruck: „Wie unachtsam von dir!“ im Sinne von unbedachtem und rücksichtslosem Verhalten, oder auch: Achtsam im Sinne von überlegtem, feinfühligem und freundlichem Handeln. In gewisser Hinsicht werden damit Elemente des Begriffs auch angesprochen. Aber der Kern von Achtsamkeit liegt tiefer:
Es geht darum, die Aufmerksamkeit kontinuierlich auf den gegenwärtigen Moment auszurichten. Gegenüber allem in diesem Moment erlebten – seien es nun Sinneswahrnehmungen, Gedanken oder Gefühle (Emotionen) gilt es, sich neugierig und mit einer urteilsfreien Haltung zu öffnen.
Durch das Üben von Achtsamkeit können uns gewohnheitsmäßige Verhaltensweisen und Reaktionen im Umgang mit uns selber und der Welt bewusst werden. Dies eröffnet Freiräume zwischen der Wahrnehmung und wie wir mit ihr umgehen. Dadurch können wir hilfreichere, gesündere oder konstruktivere Verhaltensweisen einsetzen. (Brown, Ryan & Creswell, 2007; Sauer, Walach, & Kohls, 2011).
Dies sei an folgendem Beispiel schemenhaft verdeutlicht:
Für eine Schülerin beispielsweise wird eine stark emotionsauslösende Situation, wie ein Streit oder eine Klassenarbeit, weniger bedrohlich. Durch das aufmerksame, objektive Wahrnehmen wird die Gesamtsituation in einer größeren Komplexität deutlich und im Beobachten der Abläufe entsteht Raum für die Wahl, der Situation anders als gewohnt zu begegnen. Die Erfahrung, Gedanken und Emotionen nicht ausgeliefert zu sein, gibt Kindern und Jugendlichen ein größeres Selbstvertrauen und stärkt die Zuversicht, auch schwierigen Situationen gewachsen zu sein. Auf diese Weise lernen sie, bei Bedarf ihre Gedanken und Gefühle regulieren zu können.
Achtsamkeit kann geübt werden!
Wie Sport und Körpertraining Muskelaufbau und Gesundheit fördern, so kann das Üben von Achtsamkeit als eine Art geistiges Training verstanden werden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Achtsamkeit zu üben. Dies kann systematisch, z.B. durch Übungen im Bereich der Sinnesschule, achtsame Körperübungen (z.B. Yoga, Tai Chi, Qi Gong) oder der Atembetrachtung geschehen. Darüber hinaus kann Achtsamkeit auch bei der Verrichtung alltäglicher Aktivitäten wie Abwaschen oder Zähneputzen geübt werden.
Wo wird Achtsamkeit angewandt?
Wissenschaftliche Studien zeigen positive Wirkungen von Achtsamkeitsübungen auf verschiedene Aspekte der psychischen und physischen Gesundheit. Seit vielen Jahren wird Achtsamkeit beispielsweise in der Behandlung von Angststörungen, chronischen Schmerzen und der Rückfallprophylaxe depressiver Störungen mit Erfolg integriert (Grossmann, Niemann, Schmidt, & Walach, 2004; Fjorback, Arendt, Ørnbøl, Fink, & Walach 2011)
Achtsamkeit erhöht Aufmerksamkeit, Konzentration und Leistung des Arbeitsgedächtnisses (Jha, Krompinger, & Baime, 2007; Chambers, Lo, & Allen 2008; Zylowska et al. 2007) und fördert positive Emotionen und Wohlbefinden (Davidson et al. 2003, Brown & Ryan, 2003).
Dies zeigt: Achtsamkeit ist nicht nur Therapie, sondern auch Prävention und spielt für die allgemeine Gesundheitsförderung möglicherweise eine grosse Rolle.
Daher finden zur Zeit zahlreiche Integrationsversuche von Achtsamkeitselementen in verschiedene Bildungsbereiche statt. In einigen Schulen der USA und mittlerweile auch in Europa und Australien werden Achtsamkeitsübungen bereits erfolgreich in den Schulalltag integriert.