Gain-of-Function-Forschung und ein paar Gedanken zu Weihnachten

Letzte Woche habe ich einen Vortrag von Prof. Roland Wiesendanger, einem Physiker an der Universität Hamburg gehört. Er trug im Rahmen eines Workshops an der Uni Trier zum Thema „Gewissen“ vor, den Frau Prof. Henrieke Stahl am Institut für Slavistik, organisiert hatte, die gleichzeitig Sprecherin der Gruppe „7 Argumente gegen die Impfpflicht“ ist.

SARS-CoV-2 und die Gain-of-Function Forschung

In seinem Vortrag erwähnte Prof. Wiesendanger seine Forschung zur Herkunft des SARS-CoV-2-Virus und die als Forschungsdokument als Preprint verfügbar ist. Seine Arbeiten belegen, dass das Virus mit hoher Wahrscheinlichkeit aus der Gain-of-Function Forschung kommt. Das Ziel dieser Forschung ist es, Viren und Bakterien zu verändern und deren veränderte Eigenschaften zu studieren. Meine Interviewpartner im Rahmen meiner derzeit laufenden Interviewstudie, die sich mit diesen Themen auskennen, waren einstimmig der gleichen Meinung und haben einige sehr dezidierte Argumente angeführt, die ich hier nicht aufzählen will. Einer meiner letzten Interviewpartner sitzt in der Covid-19-Task Force des US-Militärs und repräsentiert damit gewissermaßen die nach außen transportierbare Meinung des Departments of Defence in den USA (weil er das, was er sagt, über seine Security Clearance erst mal abklären muss). Er nannte ganz zwanglos die „Gain-of-Function“-Forschung als Ursprung des Virus. Natürlich, er verklausulierte und meinte, diese Gain-of-Function-Forschung sei nötig, damit man verstehe, wie die immer größere Kontaktfläche des Menschen mit bisher kaum berührten Habitaten von Tieren zu Gefährdungen führen kann. Aber das heißt nichts anderes als: Wir wollen herauskriegen, wie die noch nicht bekannten Viren in der Natur sich in der Interaktion mit Menschen verhalten werden, und daher beforschen wir sie. Der Plan ist offensichtlich, so Prof. Wiesendanger, in den nächsten Jahren das Genom einiger hunderttausend solcher, noch unbekannter Viren zu sequenzieren. Und das heißt auch: sie daraufhin zu untersuchen, ob und inwiefern die Viren gefährlich werden können. Dass damit im einen oder anderen Fall auch eine Forschung entstehen kann, mit der Überschrift: „Was wäre wenn…“ ein solches Virus dies oder jenes andere Gen aus Menschen oder Mäusen enthalten würde, kann man sich leicht ausmalen.

Interessanterweise sprach mein Gesprächspartner aus den USA auch davon, dass es mittlerweile klar sei, dass dieses SARS-CoV-2-Virus aus dem Wuhaner Virenlabor entkommen sei, „weil dort auf einer unzureichenden Sicherheitsstufe gearbeitet wurde.“ Es gibt nämlich insgesamt vier Sicherheitsstufen. Biosafety Level (BSL1) heißt: keine Gefahr. BSL 2 heisst: wenig allgemeine Gefahr und etwas höhere Sicherheitsvorkehrungen. Die richtig gefährlichen Manipulationen und Forschungen werden in Labors der Sicherheitsstufe 3 und 4 durchgeführt. Die Forschungen in Wuhan waren auf der Stufe 2, so mein Gesprächspartner, und hätten eigentlich auf Stufe 3 oder 4 passieren müssen. Seine Version, warum das Virus so gut an Menschen angepasst war, ist übrigens eine leicht verschiedene von denen der klassischen Gain-of-Function-Versionen, wie sie bei Wiesendanger und anderen zu finden ist. Mein US-Gesprächspartner war der Meinung, dass die versehentliche Freisetzung des Virus aus dem Labor vermutlich schon sehr viel früher als September/Oktober 2019 passiert sei. Das Virus habe ausreichend Zeit gehabt, mehrmals um die Welt zu reisen und sich dabei mehr Virulenz – also Ansteckungsfähigkeit und Gefährlichkeit – zuzulegen, weil es sich immer besser an den Menschen anpassen konnte. Das erkläre auch, warum anfangs nur wenig Fälle, dann aber immer mehr auftraten und warum die Wuhaner Militärspiele im Oktober 2019 dann zur internationalen Drehscheibe werden konnten, von Wuhan in die USA und zurück gewissermaßen.

Die Argumente, die ich kenne und die auch Prof. Wiesendanger referierte, sprechen eher für eine direkte Bastelei im Labor, die die Angepasstheit an den Menschen erklärt. Aber das will ich jetzt gar nicht weiterverfolgen. Interessant finde ich vielmehr die Frage, die sein Vortrag aufgeworfen hat: Müssen wir, ja wollen wir als Bürgergemeinschaft die Risiken einfach so als naturgegeben akzeptieren, die diese Art der Forschung mit sich bringt? Das sind vor allem die Laborunfälle, die im Rahmen einer Gain-of-Function-Forschung, also durch gezielte Veränderung der Eigenschaften eines Virus oder Bakteriums geschehen. Solche Laborunfälle waren offenbar schon bei anderen Viren, SARS-CoV-1, MERS, Grippeviren geschehen, referierte Herr Wiesendanger. Sie stehen auch am Grunde der SARS-Co-V-2 und Covid-19-Pandemie.

Der Skandal und Gain-of-Function-Forschung in Deutschland

Der Skandal ist ein mehrfacher. Zum einen, dass eine ganze Riege hochkarätiger Forscher versucht hat, die Tatsache einer Laborherkunft des SARS-CoV-2-Virus zu vertuschen und damit dank einer wissenschaftshörigen und kritikunfähigen Medienlandschaft auch durchkam; eine sehr gute Zusammenfassung macht das deutlich. Nur selten zuvor ist es einer derart dreisten Lüge gelungen, so lange zur politischen Mainstream-Meinung weltweit zu werden. Der zweite Aspekt dieses Skandals ist, dass kaum jemand die Tatsache beim Namen nennt, dass diese Gain-of-Function-Forschung aus den USA nach China ausgelagert wurde. Es ist eine Sache, ob wir Schrauben in China billiger herstellen lassen. Eine andere Sache ist es, ob wir riskante Forschung dorthin auslagern, weil sie bei uns nicht politisch oder juristisch akzeptiert wäre. Das ist aber passiert. Denn ohne das US-amerikanische Geld und Wissen hätte das wohl kaum geschehen können.

Was für mich der noch viel größere Skandal ist, ist die Tatsache, dass eine solche Forschung auch in Deutschland durchgeführt wird, von Steuergeldern finanziert wird, also von uns allen, und keiner schreit. Eine Reihe von kleinen Anfragen hat deutlich gemacht, dass die Bundesregierung diese Forschung in Deutschland mit Bundesgeldern fördert, das auch gut findet und es offenbar nicht für nötig befindet, darüber ein Register zu führen oder eine sonstige Kontrolle auszuüben.

Ein anderer Interviewpartner, mit dem ich gesprochen habe, hat mir erzählt, dass die Bundesregierung ähnliche Forschungen, wie sie in Wuhan durchgeführt wurden, schon vor Jahren an deutschen Forschungsinstituten finanziert hat. Herr Wiesendanger meinte, dass aktuell solche Projekte an der Charité und an anderen Universitäten gefördert würden.

Ich finde, angesichts der Tatsache dieser Pandemie müsste es einen breiten gesellschaftlichen Diskurs darüber geben, ob wir eine solche Art von Forschung mit öffentlicher Förderung, also finanziert von Steuergeldern, wirklich wollen. Ob der vermeintliche Vorteil einer solchen Forschung die Gefahren und Probleme rechtfertigt, die damit vielleicht verbunden sind. Schon im Februar haben eine ganze Reihe hochrangiger Wissenschaftler einen Stopp dieser Forschung gefordert. Ich sehe nicht, dass daraus ein breiter Diskurs entstanden wäre.

Beispiel Atomforschung

Die Atomforschung hatte ebenfalls einen solchen Doppelnutzungsaspekt („dual use“): Man konnte Waffen entwickeln, und man konnte Kraftwerke bauen. Beides ist immer noch hochumstritten. Die Kraftwerkstechnologie haben wir weit entwickelt, und ich finde, es ist legitim darüber zu debattieren, ob man sie einsetzen soll oder nicht, wobei meine bescheidene und vermutlich schlecht informierte Meinung die ist, dass eine solche Nutzung schwierig ist, solange wir das Abfallproblem nicht gelöst haben. Bei den Waffen scheint es mindestens unter den Bürgern einen allgemeinen Widerwillen zu geben, seit die Schrecken von Hiroshima und Nagasaki gezeigt haben, wohin das führt. Dass die Atommächte den bürgerlichen Mehrheitswillen ignorieren – im Zuge von Macht- und Militärargumenten – steht auf einem anderen Blatt. Dies alles zeigt, wie schwer es ist, eine gefährliche Technologie einzuhegen, wenn sie einmal die entsprechenden Hürden genommen hat, wenn Strukturen entstanden sind, wenn Gewöhnungseffekte eingetreten sind.

Nun ist bei der „Dual Use“ Gain-of-Function-Forschung eigentlich kein wirklicher ziviler Vorteil erkennbar, den man noch bei der Atomforschung reklamieren hätte können, wenn man auf den Energiegewinn verweist. Bei der zivilen Achse der Gain-of-Function-Forschung kann man nur auf sehr abstrakte Erkenntnisgewinne verweisen. Diese nutzen vor allem den Forschern, die damit hochrangige, aber eigentlich für den gesellschaftlichen Fortschritt wenig relevante Publikationen schreiben können. Die Allgemeinheit hat davon reichlich wenig. Das Argument ist ja dann immer, es könnte ja sein, dass irgendwelche „Bioterroristen“, wer auch immer das dann wäre, eine solche Biowaffe einsetzen könnten und wir dann gewappnet wären. Das ist ein bisschen so, als würde man in Schulen Messer und Pistolen verteilen, denn es könnte ja sein, dass mal ein Verrückter kommt, der dort einen Amoklauf veranstaltet. Damit sich Schüler und Lehrer wehren können. Jeder kann sich vorstellen, dass das die Sicherheit an Schulen nicht erhöhen, sondern dramatisch verschlechtern würde.

Genauso ist es auch mit dem zivilen Arm der Gain-of-Function-Forschung: die vermeintlichen Vorteile sind sehr abstrakt und nur mit viel Medienaufwand oder Verhüllungstaktik zu retten. Die Gefahren sind offensichtlich und spürbar.

Daher fände ich es notwendig, dass wir eine Kampagne starten, in der

  1. offengelegt wird, wer in Deutschland mit wie viel öffentlichem Geld Gain-of-Function Forschung betreibt
  2. breit diskutiert wird, ob wir das überhaupt wollen und dass wir
  3. nötigenfalls diese Forschung einstellen und darauf hinarbeiten, dass sie weltweit geächtet wird, genauso wie auch die Forschung an Menschen ohne deren Wissen und Einverständnis geächtet wurde, jedenfalls im Prinzip.

Das wären meine Wünsche für Weihnachten. Apropos

Weihnachten

Weihnachten ist ein Fest des Randes. Eine meiner wissenschaftshistorischen Einsichten hat mir gezeigt, dass historisch wichtige Veränderungen von den Rändern ausgehen, nur manchmal vom Zentrum. Rom: zunächst eine kleine Siedlung am Rande des großen etruskischen kulturellen Einflussgebietes und später eine Landmacht am Rande des riesigen karthagischen Seemachtbereichs. Es schluckte alles, Etrurien, Karthago, Griechenland, Kleinasien, Gallien.

Weihnachten ist das Fest einer Geburt am Rande. In einem Stall. Am Rande der jüdischen Kultur, am Rande des römischen Machtbereichs, am Rande der antiken Welt. Der historische Jesus ist eine Randgestalt, über den es außer bei Flavius Josephus und den Evangelien selbst kaum historische Zeugnisse gibt. Und von diesem Rand ging eine kulturell-geistige und religiöse Revolution aus, angetrieben von ein paar Fanatikern, die wir später Apostel nannten.

Was wir heute erleben ist etwas sehr Ähnliches, mit negativem Vorzeichen, also mit einem sehr großen Gefahrenpotenzial: Ein absolutes Randgebiet der Wissenschaft hält die ganze Welt in Geiselhaft. Eine kleine Gruppe von Wissenschaftsgläubigen und Fanatikern versucht über Pressepräsenz und Medienwirksamkeit eine neue Art von Religion zu installieren, eine Wissenschaftsreligion, die sich neudeutsch als „Wissenschaftliche Weltanschauung“ verkauft. Während der Coronakrise haben wir sie in Aktion gesehen: Wissenschaft selektiv zitiert, unpassende Meinungen medial in den Abgrund geschossen und deren Vertreter so eingeschüchtert, dass sich andere nicht aus dem Haus trauten und ihren Mund hielten. Eine blutig-rohe neue Technologie, präventive Gen-Therapie, euphemistisch als „Impfung“ verkauft, wurde das neue Sakrament der Rettung und Erlösung. Menschen erhielten das neue Siegel der Erwählten, digitale oder andere Pässe. Und die finale Erlösung, die zweite Ankunft, ist grad um die Ecke. Sie findet dann statt, wenn alle Coronaleugner, Wissenschaftsfeinde, Schwurbler, Andersdenkende, Zufluchtsuchende …<passende Begriffe einsetzen>… auf irgendeine Insel verbannt den Rest der Erlösten in Frieden lassen.

Ehrlich gesagt: Auf so eine Vision von Erlösung pfeife ich. Genauer gesagt bin ich dann lieber auf der Insel der Verdammten. Denn das wären dann vermutlich die menschlicheren unter den Menschen. Und Weihnachten ist ja eigentlich ein Fest der Menschwerdung, hieß es mal.