Homöopathie wirkt bei Aufmerksamkeits-Defizit und Hyperaktivitätssyndrom (ADHS)

und ist in Grenzen hilfreich bei der Heilung von Wunden

Homöopathie und die Ergebnisse zweier Meta-Analysen

Der Grünen-Vorsitzende Habeck hat vor einigen Jahren im Brustton der Überzeugung verkündet, Homöopathie sei Placebo. Viele Politiker und Medizinadministratoren haben pflichteifrigst zugestimmt. Unser Gesundheitsklabautermann will das gleich in ein Regelwerk gießen und die Homöopathie komplett aus allen medizinischen Büchern streichen. Seither ist es politisch unkorrekt, Homöopathie gut zu finden.

Ich finde Homöopathie immer noch und schon lange gut und bin daher auch schon lange politisch unkorrekt. Denn mich interessieren dabei weniger die Meinungen von Leuten, die nur sehr begrenzte Ahnung von der Sache haben und schon gar nicht die Argumente, die von unreflektierten theoretischen Vorannahmen ausgehen, sondern die Daten. Und weil ich politisch unkorrekt bin, hat mich vor einer Weile auch mal eine Stiftung, die die Homöopathie unterstützt, aus meiner Rolle als Blogger entfernt, in der ich immer mal wieder neue Daten und Studien auf dem Blog Homöopathie.info kommentiert habe. 

Nichtsdestotrotz mag ich Homöopathie und engagiere mich für sie, wenn sich die Gelegenheit ergibt oder ich gefragt werde. Die Publikation unserer neuen Meta-Analyse zur Wirksamkeit von Homöopathie bei Aufmerksamkeits-Defizit- und Hyperaktivitätssyndrom bei Kindern [1] und unsere schon etwas ältere Meta-Analyse zu Arnica bei Wundheilung [2], die letztes Jahr in Frontiers in Surgery publiziert wurde, nehme ich zum Anlass, auf Homöopathie hinzuweisen.

Bei der Gelegenheit möchte ich parallel dazu im Methodenblog auch ein bisschen Methodenwissen zum Thema Meta-Analysen weitergeben.

Zunächst folgt eine kleine politische Vorbemerkung zum Verständnis der allgemeinen Situation, danach für die, die es noch nicht so genau wissen, ein paar Worte zur Homöopathie im Allgemeinen.

Derzeitige politische Rahmenbedingungen der Homöopathie

Ich habe mit Homöopathieforschung meine wissenschaftliche Laufbahn begonnen. 1986 habe ich meine Diplomarbeit zum Thema publiziert, die ich 1984 am Psychologischen Institut der Universität Freiburg eingereicht habe [3]. Ich habe meine Promotion mit einer experimentellen homöopathischen Arzneimittelprüfung gemacht [4, 5], und meine Habilitation baute auf ein größeres Post-Doc-Projekt auf, in dem ich eine klinische Studie und weitere Arzneimittelprüfungen vorgelegt habe [6-9]. Ich darf also behaupten: Ich kenne mich etwas aus. Seither verfolge ich die Situation. Was mir über die Jahre auffiel: Anfangs waren wir, die komplementärmedizinischen Forscher, und insbesondere auch ich mit meiner Homöopathieforschung, die Sonnyboys der deutschen Presse. Es gab freundliche Interviews, in Zeitungen, in Radiosendungen, manchmal für den Film. Die Journalisten waren offen und aufgeschlossen. Sie berichteten wohlwollend und sachlich. 

Die Stimmung kippte zu Beginn des neuen Jahrtausends. Zuerst bemerkt habe ich es in England, als ich 2005 dorthin ging. Die sog. „Skeptiker“, eine szientistische Glaubensgemeinschaft  [10], siehe auch diesen früheren Blog von mir, starteten Aktionen gegen die Komplementärmedizin im Allgemeinen und besonders gegen die Homöopathie. Dabei war nichts Spezielles geschehen. Es gab damals keine neuen Studien, außer solche, die zeigten, dass Homöopathie in der Praxis gut funktioniert. Es gab ein paar wohlwollende Töne aus dem Forschungsdezernat aus Brüssel, man wolle eine Studie finanzieren (aus der aber meines Wissens nie etwas wurde). Es gab immer mal wieder nette Anhörungen im Europa-Parlament. Aber eigentlich nichts, was den Radau der Skeptiker verständlich machen konnte oder Anlass dazu gewesen wäre. 

Außer: In England öffneten einige Unis ihre Pforten mit postgradualen Studiengängen. Und: Homöopathie wurde immer beliebter in der Öffentlichkeit. Auch das dürfte eher eine kulturelle als eine wirtschaftliche oder politisch gesteuerte Entwicklung gewesen sein. Eine kleine Vignette: Ich wurde damals, Anfang der 90er Jahre, vom Bundesverband der Innungskrankenkassen gebeten, ein Erprobungsverfahren zu Homöopathie und Akupunktur zu evaluieren und schlug eine langfristige Beobachtungsstudie vor, weil es solche Daten noch nicht gab [11]. Solche Erprobungsverfahren sind Instrumente der Krankenkassen, um neuartige Verfahren zu testen und dann allenfalls in die Versorgung zu bringen. Homöopathie war aber schon in der Versorgung, warum also testen? Der Vorsitzende des IKK-Bundesverbandes wollte damit einen politischen Vorstoß unternehmen. Er hatte nämlich ein relativ ernstes Rückenproblem gehabt, wenn ich mich recht entsinne. Die Ärzte sagten: operieren und versteifen, sonst wäre er bald nicht mehr fähig, sich schmerzfrei zu bewegen. Ein hartes Wort für einen Sportler. Er nahm Zuflucht zur Homöopathie und wurde von einem berühmten homöopathischen Arzt behandelt, der ihn offenbar mit ein paar Kügelchen einer hohen Potenz von seinen Schmerzen und damit von seinem Leiden heilte. OP überflüssig, Expertenmeinung für die Tonne.

In diese Aufbruchstimmung Ende der 90er Jahre kamen zunächst in England, etwas später in Deutschland die Skeptikerbewegungen mit ihren Aktionen. Diese wurden von der Presse begeistert rezipiert, vermutlich auch deshalb, weil so manche der Kollegen dort in den Wissenschaftsressorts dieser Bewegung nahestehen und die Dossiers gerne verbreiten. Richtig heftig wurde der Widerstand ab 2011. Wir hatten damals an der Europa-Universität Viadrina den ersten weiterbildenden Studiengang für Ärzte, in dem auch Homöopathie vorkam. Die brandenburgische Landesregierung opponierte, die Skeptikerbewegungen liefen Sturm, die Presse auch. 2016 sperrte die Fakultät unseren Studiengang wieder zu. Ich habe das in einem Buchkapitel ausführlicher beschrieben [12]. 

Interessanterweise wurde um diese Zeit herum, nämlich 2016, ein Marktforschungsbericht einer US-amerikanischen Agentur verfügbar, der der Homöopathie ein deutliches Wachstum weltweit voraussagte, getrieben von den Entwicklungen in Deutschland: „If the number holds true, the market, which valued at US$ 3,867.7 mn in 2015, is expected to reach US$ 17,486.2 mn by 2024.” (Falls unsere Zahlen stimmen, ist zu erwarten, dass der Markt, der 2015 auf einen Wert von 3,8 Milliarden US $ geschätzt wird, im Jahr 2024 einen Wert von 17,5 Milliarden US $ erreichen wird.) [13] Das wäre also ein Wachstum knapp um das 5-Fache gewesen, was da vorausgesagt wurde. Welcher Industriezweig könnte sowas von sich behaupten? (Den ganzen Bericht abzurufen kostet mehrere Tausend Dollar; das konnte ich mir nicht leisten, daher kenne ich nur die Zusammenfassung. Aber ich gehe davon aus, dass es Leute gibt, die sich solche Berichte sehr genau ansehen). Auch wenn die Gesamtsummen verglichen mit den Zahlen, die für die großen Pharmakonzerne gelten, winzig sind, so ist es doch keine unerhebliche Konkurrenz für die konventionelle Industrie, zumal damit ja auch ein Kulturwandel in der Medizin einhergehen hätte können, den ich immer mal wieder beschrieben und eingefordert habe [14]. Ich sage bewusst „hätte“, denn wie wir wissen, ist dieser Kulturwandel nicht eingetreten. 

Diese Assoziationen zeitlicher und inhaltlicher Art legen es für mich nahe, dass diese Skeptikeraktionen gegen die Homöopathie nicht nur intrinsisch, als Dienst an der wissenschaftlichen Wahrheit, zu verstehen waren und sind, sondern dass sie manifesten wirtschaftlichen Interessen dienten und dienen, und dass sie vielleicht bestellt und bezahlt waren.

Daher sind diesbezügliche politische Äußerungen vor allem törichte oder perfide Parteinahme im Interesse der pharmazeutischen Industrie. Sie haben mit Fürsorge für Patienten oder dem Schutz der Allgemeinheit, als was sie oft verkauft werden, überhaupt nichts zu tun. Denn Homöopathie funktioniert ganz gut, wie wir gleich sehen werden. Zuvor, für die, die es nicht wissen, ein paar Worte zur Homöopathie selber.

Homöopathie – eine Blitzeinführung

Die Homöopathie verwendet einen therapeutischen Grundsatz, der so alt ist wie unsere Kultur. Ähnliches soll man mit Ähnlichem heilen, so sagte der Begründer der Homöopathie, Samuel Hahnemann (1755 – 1843). Er hat diesen Satz nicht erfunden. Er kommt schon in der Antike vor, wird bei Hippokrates, den antiken Ärzten und bei Paracelsus erwähnt. Der Ursprung ist der Mythos von Telephos (Abb. 1):

Abbildung 1 – Odysseus schabt Rost vom Speer des Achilles in die Wunde des Telephos – Relief in Herculaneum

Dieser Mythos wird von Euripides berichtet, ist aber nur noch fragmentarisch überliefert [15]. Bevor die Griechen Troja erreichten, landeten sie zu weit südlich, im Land der Mysier, kamen mit denen in ein Handgemenge bei dem Telephos, der König der Mysier, verletzt wurde. Die Griechen zogen weiter, die Wunde schwärte. Als Telephos ratlos war, machte er das, was alle Griechen taten, wenn sie verzweifelt waren: Er sandte zum Delphischen Orakel. Das ließ ihm ausrichten: „Ho trosas kai iasetai – der, der die Wunde schlug, wird sie wieder heilen.“ Das Rätsel wurde von Odysseus gelöst. Er nahm den Speer des Achills, der die Wunde geschlagen hatte, schabte dessen Rost in Telephos‘ Wunde, die daraufhin heilte. Dieser Mythos war in der Antike weit verbreitet, wie das Relief, das man in Herculaneum gefunden hat, bezeugt (Abb. 1; es gibt eine ähnliche Abbildung auch auf dem Pergamonaltar im Berliner Museum, wenn ich mich recht entsinne).

Hahnemann kannte dieses therapeutische Prinzip mit Sicherheit. Sein Verdienst war es, eine Operationalisierung, also eine konkrete Anwendung, entdeckt zu haben. Er interpretierte nämlich das „Ähnliche“ nicht als ähnliche Substanz, wie etwa Paracelsus, sondern als „ähnliche Symptome“. Auch das hatte er zufällig durch Experimentieren entdeckt. Er hatte nämlich China-Rinde eingenommen, damals ein weit verbreitetes Prophylaktikum und Mittel gegen Fieber – es wurde als Chinin in den Tropen dem Wasser zugesetzt, woher das Tonic-Wasser seinen Bittergeschmack erhielt. Und er entdeckte bei sich selber Empfindungen wie bei Fieber [16]. Das ist wichtig: Nicht die Temperatur veränderte sich, sondern die Empfindungen, also die subjektiven Symptome. Daraus schloss Hahnemann: Was solche Symptome beim Gesunden erzeugen kann, das kann man im Krankheitsfall bei ähnlichen Symptomen anwenden. Ähnliches mit Ähnlichem heilen.

Er nahm daraufhin viele bekannte Arzneisubstanzen und Pflanzen zu sich und notierte die Symptome. Manche waren ja schon aus toxikologischen Beobachtungen bekannt. Andere „prüfte“ er, so nannte man das, selber, indem er sie einnahm. Dabei entdeckter er gleichsam am Rande ein zweites wichtiges Prinzip der Homöopathie, das Potenzierungsprinzip. Hahnemann war nämlich auch Apotheker und verdünnte die giftigen Substanzen gehörig, um sich und seinen Prüfteilnehmern nicht zu schaden. Intuitiv tat er dies schrittweise, im Verhältnis 1:100, und verschüttelte die Substanzen dazwischen gründlich. Dabei entdeckte er: Je höher sie verdünnt und verschüttelt waren, umso wirksamer wurden sie. Damals war die Avogadrosche Zahl noch nicht bekannt, die angibt, wie viele Moleküle einer Substanz in einem Mol eines Stoffes enthalten sind. Sie liegt bei ungefähr 1023. Wenn man also eine Substanz 12 Mal im Verhältnis 1:100 oder 24 Mal im Verhältnis 1:10 verdünnt, dann sind theoretisch keine Moleküle der Ausgangssubstanz mehr vorhanden (es sind natürlich noch Verunreinigungen, Abrieb vom Glas und vielleicht doch noch ein paar verschleppte Moleküle drin, aber das ignorieren wir jetzt). Das war intuitiv auch Hahnemann klar, obwohl er es noch nicht berechnen konnte. Daher nannte er diesen Prozess auch „Dynamisieren“ und sprach von einer „geistartigen Wirkung“ der Arznei, also einer, die nicht mehr an den Stoff selber gebunden ist.

Aus meiner Sicht ist es diese theoretische Zumutung, die in unserer heutigen materialistischen Kultur für Aufregung sorgt. Denn die Behauptung ist: hier wirkt etwas, das materiell gar nicht mehr vorhanden ist. Was auch immer das sein soll. Ich will mich in diesem Blog nicht mit dieser Frage beschäftigen, vielleicht später einmal. Konstatieren wir: Die eigentliche Anstößigkeit der Homöopathie ist die Behauptung einer Wirkung von etwas, das materiell nicht vorhanden ist. Lässt man diesen Gedanken zu, dann kippt nicht nur das materialistische Paradigma der klinischen Pharmakologie, sondern dann müssten wir uns auch ein paar weiterführende Gedanken zur Frage machen, ob eine materialistische Weltanschauung wirklich so wissenschaftlich fundiert ist, wie manche meinen. Daher ist die Zumutung der Homöopathie vor allem eine theoretische Provokation. Denn ob solche Substanzen wirken können oder nicht, ist – siehe unten – eine rein empirische Frage und keine theoretische. 

Hahnemann und seine Schüler fanden: ja, sie wirken. Hahnemann arbeitete lange Zeit vor allem mit der Potenz C30 und verwendete später alle möglichen Potenzen, C 125, C 98, manchmal auch tiefe Potenzen wie C1 bis C11. Eine Potenz C30 ist eine, die in Hunderterschritte (1:100, „centum“ heißt auf Lateinisch „hundert“, daher „C“) 30 Mal verdünnt und verschüttelt wurde, also eine Verdünnung von 100-30 oder 10-60, also eine 0, mit 60 Stellen hinter dem Komma zur Angabe des stofflichen Inhalts, oder: Nichts. C30 ist heute eine Standardpotenz, und viele Homöopathen arbeiten mit Potenzen bis zu C 1.000 oder darüber hinaus (diese Potenzen werden meist anders hergestellt, sodass oftmals noch Spuren des Ausgangsstoffes enthalten sein könnten, aber ich halte diese Diskussion für irreführend und gehe daher auch nicht weiter darauf ein).

Der homöopathische Arzneischatz, oder die „Materia Medica“, enthält mehr als tausend Substanzen, also Stoffe, die in potenzierter Form an Gesunde verabreicht wurden und Symptome erzeugt haben, die man im Krankheitsfall zur Indikation des Arzneimittels verwenden kann. Solche Arzneimittelprüfungen oder homöopathische pathogenetische Experimente, bei denen Gesunde potenzierte Substanzen einnehmen und die Symptome notieren, werden auch heute noch gemacht und damit der Arzneischatz erweitert. In der Praxis werden allerdings vor allem ca. 150-200 sehr gut geprüfte Substanzen verwendet. Das sind auch die, die nach den ärztlichen Weiterbildungsverordnungen von denen beherrscht sein sollten, die sich die Zusatzbezeichnung „homöopathischer Arzt“ aufs Praxisschild schreiben dürfen.

Die Kunst besteht nun darin, für einen konkreten, individuellen Patienten das richtige Arzneimittel zu finden. Das geschieht durch die „Individualisierung“: indem man im konkreten Fall die wichtigen, charakteristischen Symptome sucht und ein Arzneimittel, das möglichst alle diese Symptome in dem Bild vereint, das aus Prüfungen bekannt ist. Homöopathie ist also im Wesentlichen eine Kunst der Mustererkennung, bei dem das Symptombild eines Kranken mit dem eines Arzneimittels in Übereinstimmung gebracht wird. Dazu muss das Symptombild des Kranken gut bekannt sein, weswegen homöopathische Ärzte oft sehr viel Zeit auf die Anamnese verwenden. Und die Arzneimittel müssen gut bekannt sein. Es helfen bei der Suche zwar Symptomenverzeichnisse, sog. Repertorien. Aber diese sind nur Hilfen. Ohne gute Kenntnis der Arzneimittel helfen sie wenig. Denn die Symptome müssen geordnet und gewichtet werden. Das ist, neben einer guten Gesprächsführung, die eigentliche Kunst.

Findet man das richtige Arzneimittel, kann man im Prinzip alle Krankheiten behandeln. Erfolg wird man dann haben, wenn der Organismus noch regulierungsfähig ist, also von sich aus Heilungsprozesse einleiten kann. Das wird bei allen pathologischen Prozessen im Spät- oder Endstadium, wie Krebs, Demenz, usw. schwierig bis unmöglich sein. Bei jüngeren Menschen, vor allem Kindern, funktioniert Homöopathie in der Regel sehr gut.

Meta-Analyse von Homöopathie bei ADHS bei Kindern

Und dies ist nun auch der Punkt, an dem unsere Meta-Analyse ins Spiel kommt. Denn es gibt mittlerweile sieben randomisierte Studien, fünf davon doppelblind und placebo-kontrolliert, die individualisierte homöopathische Therapie bei ADHS untersucht haben. Wir haben in unserer Meta-Analyse 6 davon eingeschlossen; die siebte war eine frühe, kleine, methodisch schlecht beschriebene Pilotstudie, die noch dazu kein brauchbares Ergebnismaß verwendet hat und daher unseren vorweg formulierten Kriterien nicht genügte.

Das Projekt ist in großes Rahmenprojekt eingebunden, indem wir diejenigen Krankheitsentitäten, bei denen es mehrere Studien gibt, in Meta-Analysen untersuchen. Es gibt nämlich insgesamt viele hundert randomisierte, doppelt verblindete, placebo-kontrollierte Studien von Homöopathie bei irgendwelchen Krankheitsentitäten. Die ganze Datenbank von homöopathischen Interventionsstudien umfasst über 600 Studien. Darunter sind natürlich auch solche, die nicht-randomisiert sind und solche, die nicht doppelt-verblindet gegen Placebo kontrolliert haben, sondern gegen Standardbehandlung. Es gibt aber mehr als 250 placebo-kontrollierte Studien. Die oft und gern von Leuten, die sich nicht auskennen, kolportierte Meinung, es gäbe ja keine Studien, ist inkompetent, weil schlecht recherchiert und falsch.

Im Fall von ADHS gibt es eben wie gesagt 6 brauchbare Studien. Diese 6 Studien haben wir zusammengefasst. Die Meta-Analyse ist ein statistisches Akkumulationsverfahren, das in den 70er Jahren von Psychologen erfunden wurde, um die Ergebnisse von Psychotherapiestudien zusammenzufassen [17]. Die Idee dahinter ist einfach. Jede einzelne Studie ist eine Momentaufnahme in einem Universum möglicher Ergebnisse und daher mit Unsicherheiten behaftet. Wenn man nun diese verschiedenen Studien zusammenfasst – solche mit starken und solche mit kleinen Effekten, solche mit unterstützenden und solche mit gegenläufigen Ergebnissen – dann kommt man am Ende auf den „wahren“ Effekt einer Intervention. Daher ist in der Evidence Based Medicine (EBM) eine Meta-Analyse oder ein systematischer Review auch ein Datenelement mit der höchsten Zuverlässigkeit. Und dies wird etwa zur Grundlage der Entscheidungen im Gemeinsamen Bundesausschuss genommen, welche Maßnahmen erstattungsfähig sind. In solche Erwägungen gehen theoretische Überlegungen, etwa ob wir verstehen, wie ein Effekt zustande kommt, explizit nicht ein. Sondern es handelt sich um eine rein empirische Zusammenfassung von Studienergebnissen.

Wir haben also diese 6 Studien zusammengefasst und fanden eine signifikante Effektgröße von g = 0.542 gegen alle möglichen Formen von Kontrolle und von g = 0.6 gegenüber Placebo. Die durchschnittliche Größe der Studien war klein, nämlich 52 Teilnehmer. Die Größe der Studien geht in einer Meta-Analyse als Gewicht ein, das heißt, große Studien erhalten mehr Gewicht, kleine weniger. Außerdem führt die Statistik der Meta-Analyse dazu, dass bei kleineren Studien der statistische Schwankungsbereich größer ist. Anders ausgedrückt: Wenn man kleine Studien akkumuliert, dann ist es tendenziell schwieriger, statistische Signifikanz nachzuweisen. In unserem Fall war die Signifikanz mit einem z-Wert (also einem Ordinatenwert der Standardnormalverteilung) von 4,61 für alle Studien deutlich signifikant (p < .001) und für die placebo-kontrollierten Studien mit z = 2.16 und p = .03 immer noch jenseits der konventionellen Signifikanzgrenze. 

Es wird argumentiert, die homöopathischen Studien seien zu klein. Das ist oftmals richtig. Allerdings ist dieses Argument nur teilweise schlagkräftig. Denn das, was große Studien an Vorteilen haben – ausreichende statistische Mächtigkeit bei kleinen Effekten und damit auch kleinere Schwankungen bei der statistischen Testung – das ist nur dann wirklich relevant, wenn die Effekte sehr klein sind. Genau deswegen wurden ja Meta-Analysen entwickelt, um die statistische Mächtigkeit über verschiedene kleine Studien hinweg zu akkumulieren. Das Ergebnis dieser Zusammenführung ist das statistische Endresultat. In diesem Falle: signifikant über Placebo und Kontrollen überlegen.

Also nochmals für alle Skeptiker zum Mitschreiben: Homöopathie ist signifikant besser als Placebo in doppelblinden Studien zur Behandlung von ADHS bei Kindern, gemäß den allseits anerkannten Methoden der EBM. Und sie ist besser gegenüber allen Kontrollen, darunter auch aktive Kontrolle.

Zwei Studien sind pragmatische, unverblindete Studien, die in England durchgeführt wurden. Dort war die Kontrolle eine typisch englische Outpatient-Behandlung bei einem Allgemeinarzt. Das enthält meistens nutritional counseling, also Ernährungsempfehlung und Lebensstilberatung (weniger Cola, viel Vitamine, weniger Fernsehen, etc.) und auch Ritalin bzw. ähnliche Substanzen. Ritalin ist ein amphetaminähnliches Präparat, das auf den Dopaminrezeptor wirkt. Man geht davon aus, dass dem ADHS eine Störung des Dopaminhaushaltes zugrunde liegt und in diesen greift Ritalin ein. Dummerweise führt es, wie alle zentralnervös wirkenden Substanzen, zu einem Gewöhnungseffekt und hat starke Nebenwirkungen [18, 19]. Das ist der Grund, weswegen viele Eltern wieder davon wegwollen und das ist auch der Grund, weswegen Homöopathie als Alternative populär ist. Denn: Ritalin hat in Langzeituntersuchungen keinen Effekt gegenüber sog. Community Controls, also Behandlung im Rahmen von Beratung, gezeigt [20]. Kurzfristig ist ein Effekt vorhanden, aber langfristig mittelt er sich aus, vermutlich deswegen, weil Kinder, die ursprünglich Ritalin erhielten, wegen der Nebenwirkungen aufhören und andere, die ursprünglich in der Kontrolle waren, damit anfangen. 

Homöopathie kommt also, das zeigen unsere Daten, als Alternative infrage. Die längste Studie hatte gleichzeitig auch den größten Effekt von über einer Standardabweichung (zur Metrik komme ich im methodischen Teil). Sie ging über ein Jahr. Die meisten Studien dauerten zwischen 2 und 8 Monaten. 

Einige dieser Studien wurden in Bern durchgeführt. Dort hat die Berner Arbeitsgruppe am Lehrstuhl für Komplementärmedizin an der Universität ein neues Studiendesign erarbeitet: Die Kinder erhielten erst eine offene Behandlung, in der man nach dem richtigen Arzneimittel suchte und erst als dieses gefunden wurde, ging die doppelblinde Phase los, in der die Kinder dann entweder weiter das richtige Arzneimittel oder ein Placebo erhielten. Das ist ein kluges Design, wie ich finde. Denn die Kunst ist wie gesagt das Finden des richtigen Arzneimittels. Und dazu benötigt der Arzt die Rückmeldung der Patienten. Erfolgt die Arzneimittelgabe unter verblindeten Bedingungen, dann ist dies schwierig, weil Arzt und Patient nicht wissen, ob eine mangelnde Wirksamkeit darauf beruht, dass das Arzneimittel falsch gewählt war oder gar nicht erst gegeben worden ist [21]. 

Obwohl es schwierig ist, gibt es auch Langzeitstudien unter strikten Doppelblindbedingungen, wie gesagt hier die längste über ein Jahr, mit sehr guten Erfolgen. Wer also seinem Kind kein Ritalin geben will, könnte es mit Homöopathie versuchen. Die Daten legen nahe, dass dies funktionieren kann.

Nun werden manche fragen: Welches Arzneimittel muss man nehmen? Die Antwort lautet: das Passende, das Ähnlichste. Daher sollte man nicht herumspielen und auch nicht das nehmen, das der Nachbarin geholfen hat, sondern zu einem guten homöopathischen Arzt gehen. Ja, und das, liebe Ärztekammern, ist auch der Grund, weswegen die Zusatzausbildung und -bezeichnung „Homöopathie“ nicht abgeschafft werden soll, sondern im Gegenteil gestärkt gehört.

Meta-Analyse von Arnica bei Operationswunden zur Wundheilung

Ich sagte es oben schon, diese Meta-Analyse ist Teil einer größeren Projektplanung, alle Krankheitsentitäten zu analysieren, bei denen mehrere Studien vorliegen. Denn eine Voraussetzung von Meta-Analysen ist, dass man eine einigermaßen homogene Fragestellung hat. Man kann zwar auch die Frage stellen, wie frühere Meta-Analysen das getan haben: Ist Homöopathie insgesamt besser als Placebo? Die Antwort darauf ist: ja [22]. Aber klinisch sind solche Analysen wenig ergiebig, weil eben alle möglichen Krankheiten, Studientypen und Homöopathieanwendungen gemischt werden. Daher gehen Meta-Analysen in jüngerer Zeit eher dazu über, gut umschriebene Fragestellungen zugrunde zu legen. Und unsere Analysen untersuchen entweder individualisierte Homöopathie oder ganz klare bewährte Indikationen.

Eine solche ist eben: Hilft homöopathisches Arnica bei Wundheilung nach Operationen? [2] Die Antwort darauf lautet: möglicherweise, aber vielleicht ist Arnica nicht die beste Option. Dazu muss ich ein bisschen ausholen und etwas zu Arnica (Abb. 2) sagen.

Abbildung 2 – Arnica montana

Arnika ist eine alte Heilpflanze. Man nennt sie auch das „Fallkraut“ oder das „Bergwohlverleih“. In alten Tinkturen zum Einreiben bei Schmerzen kommt es oft als Auszug vor, obwohl eine äußere Anwendung in der Regel nicht günstig ist, weil sie Hautreizungen verursachen kann. Arnica wächst in den Bergen, auf Höhen zwischen 800 und 1400 m etwa, je nach Klima. Ich habe sie dort bei Bergwanderungen des Öfteren gesehen, nicht aber in tieferen Lagen. 

Diese alte Tradition basiert auf der Erfahrung, dass Arnika bei Verstauchungen, Quetschungen und Blutungen nach innen, wie bei Blutergüssen, hilfreich sein kann. Daher hat das homöopathische Präparat Arnica auch seine „bewährte Indikation“. So nennt man klinische Situationen, bei denen die Individualisierung der Homöopathika weniger wichtig ist, weil die Situation selbst eine klare Indikation für ein Heilmittel aufweist. Innere Blutung etwa ist eine Indikation für Arnica. Das kommt bei Verstauchungen vor, bei Zerrungen, bei Prellungen und Quetschungen, überhaupt bei fast allen Verletzungen. Deshalb erfreut sich das Mittel großer Beliebtheit als Erste-Hilfe-Mittel bei allen Verletzungen.

Das hat auch dazu geführt, dass man Arnica vielfach in Studien eingesetzt hat, bei denen etwa nach Operationen Blutungen zu erwarten waren und die Wundheilung beschleunigt werden sollte.

Daher gibt es für die Indikation „Arnica zur Wundheilung nach Operationen“ relativ viele Studien. Wir fanden bei unserer Suche 23 Studien zum Thema. Über alle Studien gerechnet ist der Effekt eher klein und enttäuschend, nämlich g = 0.18 (z = 1.9, p = .059). Bei Meta-Analysen macht man dann, wenn der Effekt heterogen ist, wenn die Effektgrößen also stark um einen Mittelwert streuen, Sensitivitätsanalysen und versucht herauszubekommen, woher diese Streuung kommt. Bei den Arnica-Studien sehen wir eine Schwankung von Effektgrößen von g = 2.01 bis g = -0.2. Trennt man die Studien nach unterschiedlichen Kategorien, dann sieht man: Die meisten Studien waren präventiver Natur, gaben Arnica also zur Vorbeugung. Diese hatten zwar einen kleinen Effekt von g = 0.2, der aber immer noch heterogen und trotz der großen Studienzahl nicht signifikant ist. Bessere Studienqualität zeigte höhere Effekte als schlechte, ein Hinweis darauf, dass es sich bei dem Effekt nicht um ein Artefakt methodischer Schwächen von Studien handelt. Was ich persönlich interessant finde, ist die Tatsache, dass die Studien, die gegen aktive Kontrolle, meistens Aspirin, Ibuprofen, Diclofenac oder ähnliche schmerzstillende, entzündungshemmende Substanzen testen, eine positive Effektgröße produzieren. Diejenigen Studien, die einfach gegen „standard care“ testen – dabei wird nicht beschrieben, was das heißt, schließt aber vermutlich schmerzstillende Medikamente mit ein – haben sogar den größten Effekt mit g = 0.5, der signifikant ist.

Das Wirksamkeitsparadox

Das ist ein einigermaßen paradoxes Ergebnis, das man in der Homöopathieforschung oft findet: Die Testung gegen Placebo zeigt einen kleineren Effekt als die Testung gegen aktive Kontrolle, obwohl man ja davon ausgehen müsste, dass aktive Kontrolle irgendwann mal ebenfalls gegen Placebo getestet und überlegen befunden wurde. Nochmals anders ausgedrückt: Wenn Homöopathie, wie oft behauptet wird, Placebo ist, dann ist dieses Placebo wirksamer als aktive Standardbehandlung in der Wundpflege. Ein Paradox, das ich vor Zeiten einmal mit dem Namen „Wirksamkeitsparadox“ belegt habe [23]. Ich stelle es hier unten nochmals grafisch dar (Abbildung 3):

Abbildung 3 – Schematische Darstellung des Gedankenexperimentes zum Wirksamkeitsparadox 

Eine Behandlung, die „wirksam“ ist (Behandlung y), weil sie signifikant besser ist als Placebo, kann trotzdem schlechter wirken, wie eine Behandlung x, die als „unwirksam“ gilt, weil sie Placebo nicht überlegen ist. Das liegt daran, dass in der klassischen Testung von Behandlungen gegen Placebo immer nur der Unterschied zwischen Placebo und Behandlung untersucht wird. Ist dieser signifikant, sprechen wir von „wirksam“. Ist er nicht signifikant, sprechen wir von „unwirksam“. Das Paradox kommt daher, dass wir eine Annahme machen, die oft falsch ist: dass nämlich die Placebo-Komponente der Behandlung, was in Abb. 3 als „unspezifisch“ oder „non-specific“ bezeichnet ist, konstant wäre. Während andere Artefakte, z.b. der statistische Regressionseffekt („regression“) oder Messartefakte („artefacts“) i.d.R. bei Studien mit ähnlichen Patienten und Krankheiten und Outcome-Parametern durchaus vergleichbar sind, sind die nicht-spezifischen oder echten Placebo-Effekte, die eben von psychologischen Effekten der Erwartung stammen, alles andere als gleich. Bei der Homöopathie und bei anderen komplementärmedizinischen Verfahren sind sie oft sehr viel größer. Daher ist der Gesamtbehandlungserfolg – und das ist das Einzige, was Patienten interessiert – oft sehr groß, während es sehr schwer ist, den Unterschied zu Placebo nachzuweisen.

Aus diesem Grund kann es eben auch vorkommen, dass Meta-Analysen, wie oben, nur schwer einen Effekt gegenüber Placebo sichern, während ein Effekt gegenüber aktiver Kontrolle sogar größer ist. Paradox. Aber so ist die Welt eben.

Interessanterweise nimmt die Effektstärke über die Jahre in den Studien, die gegen konventionelle Medikamente kontrolliert wurden, zu: jedes Jahr um 0,03 Einheiten. Diese sog. Meta-Regression kann die Heterogenität der Studien erklären. Warum nimmt die Effektstärke zu? Das ist schwer zu sagen. Vielleicht messen die neueren Studien besser. Vielleicht sind es andere Gründe. Vielleicht nimmt die Wirkung der konventionellen Medikamente ab. 

Würde ich Homöopathie zur Wundheilung bzw. zur Prävention empfehlen? Wahrscheinlich nicht. Denn die Schwankungen, vor allem manche negativen Effektstärken zeigen für mein Dafürhalten, dass Arnica durchaus manchmal auch Schaden anrichten kann, dann nämlich, wenn es nicht indiziert ist, oder zu früh gegeben wird. Offenbar greift es in die Fließeigenschaften des Blutes ein. Das kann man aus einigen Grundlagenforschungsarbeiten erschließen [24]. Und wenn das zu früh passiert, dann wird eben die Blutung eher größer als geringer und die Entzündung nimmt nicht ab, sondern zu. 

Das weist uns auch auf ein grundlegendes Problem hin: Solche „bewährten Indikationen“ sind eben nur in Grenzen bewährt. Manchmal muss man für Verletzungen, vor allem dann, wenn sie durch eine scharfe Wunde entstehen, wie bei einer Operation, auch andere Arzneimittel überlegen, etwa Staphisagria. Oder wenn dabei Nerven verletzt wurden, Hypericum. Auch hier müsste man also eigentlich individualisieren. Solche Studien gibt es aber in der Chirurgie kaum. 

Würde ich Arnica selber nehmen, wenn ich eine Verletzung hätte? Ja, auf jeden Fall, wenn die Verletzung z.B. mit einem deutlichen Bluterguss einhergeht oder eine andere Form der inneren Blutung erzeugt hat. Ich habe beispielsweise vor Zeiten einen Sprunggelenksbänderanriss, den ich mir beim Sport zugezogen habe, mit einer Mischung aus Arnica und Rhus toxicodendron selber behandelt, ohne weitere Maßnahmen. Ich bin nach wenigen Tagen wieder wandern gewesen. Die Schwellung und der Schmerz waren weg. 

Noch etwas sieht man an diesem Datensatz, was ich öfter beobachtet habe: Es gibt in der Homöopathieforschung immer wieder extrem starke Effekte, die jeden überraschen, der sich mit solchen Studien auskennt. In der konventionellen Forschung kennt man sie nicht in diesem Ausmaß, scheint mir. Aber wenn man versucht, sie zu wiederholen oder einzufangen, verschwinden sie. Wenn man etwa nur die placebo-kontrollierten Studien über die Jahre hinweg vergleicht, dann zeigt sich insgesamt eine leicht abnehmende Tendenz, die aber in der Meta-Regression nicht signifikant ist. Aber interessanter ist das Muster (Abb. 4):

Abbildung 4 – Effektstärken in homöopathischen placebo-kontrollierten Arnica-Studien über die Zeit hinweg; blaue Linie: effektive Daten; rote Linie: Glättung

Man erkennt: Es ergibt sich eine leichte Schwankung um die Null-Linie mit einem großen Ausreißer nach oben. Danach fällt die Effektstärke drastisch ab, um sich wieder etwas zu erholen, um dann wieder abzufallen. Dieses Muster ist gerade in dieser Sequenz deutlich. Wir haben es hier mit sehr ähnlichen Studien zu tun, die immer wieder das gleiche, in dem Fall Arnica zur Wundheilung in Studien zur Chirurgie, untersuchen. 

Solche Daten haben mich davon überzeugt, dass wir es bei der Homöopathie nicht mit einem kausalen, also stabilen Effekt zu tun haben, der immer und überall kausal verfügbar wäre, in den Kügelchen gleichsam festgebacken und in Studien isolierbar. [25] In Grenzen kann man das tun, wie unsere Meta-Analysen zeigen. Aber auf Dauer lässt sich mit dem Studienmodell der placebo-kontrollierten Studie der Effekt von Homöopathie nur grenzwertig einfangen. Ist Homöopathie daher ein Placebo? Ich glaube nicht. Ist es beweisbar, dass Homöopathie kein Placebo ist? Manchmal, wie etwa in unsere ADHS-Meta-Analyse. 

Nochmals anders ausgedrückt: Ich glaube, wir haben es bei der Homöopathie durchaus mit einem sehr spezifischen Effekt zu tun, der über Placebo hinausgeht. Er ist davon abhängig, dass die Homöopathie richtig angewandt wird und das passende Arzneimittel gefunden wird. 

Vermutlich ist die Homöopathie ein gutes Beispiel für eine ganze Klasse von Effekten, die zwar durchaus real sind, aber nicht in der gleichen Weise in unserer kausalen Verfügbarkeit stehen, wie etwa Lichtschalter und Strom, Autos und Motoren oder andere zuverlässige kausale Effekte, die wir kennen. Sie sind eher so etwas wie synchronistische Zufälle, die die meisten Menschen kennen [26]. Ein Beispiel für einen solchen synchronistischen Zufall wäre die Situation, dass ich unbedingt eine Information brauche, aber nicht weiß, wo ich sie herbekomme. Und zufällig bringt mir die Nachbarin eine Zeitschrift, die genau diese Information enthält. Solche Effekte sind höchstwahrscheinlich systematisch, aber nicht kausal. Das haben bereits C. G. Jung und Pauli gesehen, die sich mit diesen Phänomenen befassten [27].

Sind sie deswegen unbrauchbar oder wissenschaftlich uninteressant? Nein, ganz im Gegenteil. Wissenschaftlich halte ich sie für sehr interessant, weil sie eben Anomalien darstellen und uns auf Bereiche hinweisen, die wir noch nicht gut verstanden haben. Und praktisch sind sie sehr brauchbar. Das zeigt vor allem die Tatsache, dass Homöopathiestudien im direkten Vergleich mit konventioneller Behandlung sehr oft, bei Arnica zuverlässig, stärkere Effekte aufweisen als die konventionelle Behandlung.

Wir haben es also bei der Homöopathie mit einer Behandlungsform zu tun, die mindestens genauso gut wie konventionelle Behandlung ist, aber sich weniger leicht kausal fassen lässt. Man muss ein bisschen um die Ecke denken, bis man das versteht. Ich habe dazu auch ein paar Jahre gebraucht. Willkommen in der neuen Denkwelt.

Ergänzend zu diesem Beitrag gibt es ein neues Kapitel im Methodenblog, das tiefer darauf eingeht, wie Meta-Analysen funktionieren: (23) Wie funktionieren Meta-Analysen eigentlich?

Quellen und Literatur

  1. Gaertner, K., Teut, M., & Walach, H. (2022). Is homeopathy effective for attention deficit and hyperactivity disorder? A meta-analysis. Pediatric Research, https://doi.org/10.1038/s41390-022-02127-3.
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