Tödliche Medikamente: Die Pharmaindustrie als organisiertes Verbrechen

Eine Besprechung von Peter C. Gøtzsche „Deadly Medicines and Organised Crime: How Big Pharma Has Corrupted Healthcare“ (London: Radcliffe, 2013)

Ich kenne wenige Bücher, die noch deprimierender sind, als dieses, und die man trotzdem von vorne bis hinten lesen sollte [1]. Das Buch zieht einen in hypnotischen Bann, denn man will es kaum glauben, was man hier liest, selbst wenn man, wie ich, bereits apriori mit einer gehörigen Portion Skepsis an Themen herangeht, die moderne Arzneimittel und Pharmahersteller betreffen. Aber was Gøtzsche bietet – engmaschig belegt in 1134 Anmerkungen und auf 300 Seiten – übertrifft die wüstesten Phantasien. Man kann es für den ganz eiligen Leser kurz machen und auf einen Punkt bringen:

Die Pharmaindustrie ist schlimmer als die Mafia. Denn sie ist wie die Mafia und ähnlich organisierte Verbrechersyndikate darauf aus, mit illegalen Methoden und wiederholt möglichst viel Geld aus dem öffentlichen System zu holen. Anders als die Mafia bringt sie dabei mehr Menschen um als die Verbrechersyndikate bzw. nimmt deren Tod in Kauf.

Das wird im Cartoon auf der letzten Buch-Seite deutlich gemacht, den ich mit freundlicher Genehmigung des Verlages hier einfüge:
mob
(Sinngemäß: „Gøtzsche schreibt, dass die Pharmaindustrie so was wie ein Verbrechersyndikat ist. Find ich voll daneben.“ „Warum?“ „Die sind viel schlimmer, die killen viel mehr Leute als wir.“)

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„Science Delusion“ – www.SetScienceFree.org: Ein paar Gedanken zu Rupert Sheldrake

Set Science Free: Sign the Petition at www.SetScienceFree.org

Ich kenne Rupert Sheldrake schon ein ganzes Weilchen; vor kurzem war er auch bei uns in Frankfurt (Oder) zu Gast. Angefangen hat unsere Bekanntschaft, als wir seine Versuche zum Phänomen des „Angeschautwerdens“ kritisierten und darüber ins Gespräch kamen. Ich habe ihn wegen seiner Offenheit, auch gegenüber Kritik, und seiner genuinen Neugier schätzen gelernt. Und ich habe, auch ihm gegenüber, nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich seine Theorie der „morphogenetischen Felder“ für empirisch nicht belegt halte, genauer gesagt, ich glaube sogar, dass die Daten eher gegen ein solches Feldmodell sprechen. Denn es gibt all zu viele Versuche, bei denen genau das Gegenteil dessen, was man erwarten würde herauskam. Aber das würde jetzt zu weit führen. Allerdings gehe ich mit ihm in einigen wichtigen Punkte überein: die Phänomene, von denen er spricht, seien sie jetzt dem Bereich der „Parapsychologie“ zuzurechnen, oder seltsame „Feldphänomene“ in der Biologie, sie verdienen die vermehrte Aufmerksamkeit der Wissenschaft gerade weil sie unserer Erwartung zuwider laufen.

Die Phänomene verdienen die vermehrte Aufmerksamkeit der Wissenschaft gerade weil sie unserer Erwartung zuwider laufen.

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Fasnachtswissenschaft: Warum „Szientabilität“ ein Unwort ist

Überlegungen zu einem „skeptischen“ Beitrag von Christian Weymayr

Ich habe lange in Basel gewohnt. Bei Basler Fasnachtsveranstaltungen, bei denen es auch Bänkelgesänge gibt, die aktuelles politisches und gesellschaftliches Leben kommentieren, taucht regelmäßig eine Truppe auf, die als „Strickmammselln“ verkleidet sind, also alte Stricktanten. Der Reim, mit dem sie alles kommentieren heisst: „inesteche, umeschloo, duureziehe und abeloo“, also übersetzt: „hineinstechen, herumwickeln, durchziehen und herunterlassen“; der klassische Vierschritt des Strickens also (ich weiss das, denn ich habe einmal als Student in einer ganzen Wochenendveranstaltung einen Pullover gestrickt). Das ist mir jetzt wieder eingefallen, als ich auf den Text zur „Szientabilität“ von Christian Weymayr aufmerksam geworden bin, der vor kurzem publiziert wurde [1]. Wir, Prof. Klaus Fischer aus Trier, und ich haben ihn in einem Leserbrief kommentiert und kritisiert [2]; auch andere, wie Klaus Linde, haben in der Leserbrief-Sektion kritische Kommentare dazu abgegeben.

„hineinstechen, herumwickeln, durchziehen und herunterlassen“

Hier ein paar grundlegende Gedanken, die vielleicht auch über die spezielle Diskussion hinaus interessant sein könnten:

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Studie: Nur wer sich um sich kümmert, kann sich auch gut um andere kümmern

Ich greife heute eine ganz neue Studie auf, die ich für bemerkenswert halte: West und Kollegen haben in JAMA Internal Medicine, also dem Spezialjournal des Journals of the American Medical Association – früher hiess es „Archives of Internal Medicine“ – gerade eben eine Studie publiziert [1], in der sie untersuchten, wie sich ein Training, das auf das Wohlbefinden der Ärzte ausgerichtet war, auf ihre Zufriedenheit im Beruf und ihre Professionalität auswirkte. Das ist aus verschiedenen Gründen wichtig: Wir wissen aus einer klassischen Studie, dass sich das Mitgefühl und die Fähigkeit sich in andere einzufühlen im Verlaufe des Medizinstudiums drastisch und bedenklich verschlechtern [2]. Junge Medizinstudenten kommen voller Enthusiasmus ins Studium, verlieren ihren Idealismus gründlich und werden dann, wenn es dumm kommt, im Verlaufe ihres Arztberufes immer zynischer und brennen schließlich selber aus. Daher war es schon ein Signal allerersten Ranges, dass das JAMA vor ein paar Jahren eine Studie zu einem Achtsamkeitstraining für Ärzte publizierte, eine der ganz wenigen unkontrollierten Beobachtungsstudien die überhaupt je in diesem Journal publiziert wurden [3], die zeigte, dass durch ein Achtsamkeitstraining diese Dynamik umgedreht werden kann. Auf den Punkt gebracht: wer sich einfühlsam um sich selber kümmert, der wird auch fähig, sich um andere zu kümmern. Das gilt nicht nur für Ärzte, sondern für jedermann, würde ich schätzen.

Junge Medizinstudenten kommen voller Enthusiasmus ins Studium, verlieren ihren Idealismus gründlich und werden dann, wenn es dumm kommt, im Verlaufe ihres Arztberufes immer zynischer und brennen schließlich selber aus.

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In Memoriam Claus Fritzsche, †14.1.2014


Wir trauern um Claus Fritzsche.
Claus Fritzsche war der Begründer und Redakteur des CAM-Media-Watch-Blogs, einer Webseite, die es sich zur Aufgabe gesetzt hat, den Journalismus zu Themen der Komplementärmedizin kritisch zu begleiten. Manchmal tat er dies, indem er Fachleute auf seinem Blog zu Wort kommen ließ, die verkürzte Darstellungen in den Medien korrigieren konnten. Manchmal tat er es selber, indem er sorgfältig recherchierte Artikel verfasste, deren inhaltliche Korrektheit er durch Mitglieder seines wissenschaftlichen Beirats absicherte.

Durch seine Arbeit hat er maßgeblich dazu beigetragen, dass der Journalismus zu Themen der Komplementärmedizin sorgfältiger wurde und besser recherchiert.

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